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01. Februar 2016

Krankheitsbedingte Kündigung ohne BEM unverhältnismäßig

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Bisher galt in  der  Rechtsprechung,  dass  das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung war. Der Arbeitgeber konnte sich einfach darauf berufen, dass keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit bei ihm vorhanden sei.
Mit BAG Urteil vom 20.11.2014 - 2 AZR 755/13 werden die Anforderungen an den Arbeitgeber verschärft. Hier wird ausgeführt, dass ohne die Durchführung eines BEM vor einer krankheitsbedingten Kündigung bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) die Kündigung unverhältnismäßig ist.

Dies gilt für jede krankheitsbedingte Kündigung, auch für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX ist Arbeitgeberaufgabe und kein bloßer Programmsatz.

Eine personenbedingte Kündigung kann nicht mit Krankheit begründet werden (ist also nicht durch Krankheit „bedingt“), wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt.

Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG darlegen und beweisen, dass ein BEM die Kündigung nicht hätte vermeiden können. Hierbei muss er aufzeigen, dass arbeitsplatzbezogene, interne Maßnahmen nutzlos gewesen wären. Darüber hinaus muss er außerbetriebliche Therapiemöglichkeiten  in seine Erwägungen einfließen lassen.

Er muss also dartun, dass künftige krankheitsbedingte Fehlzeiten z.B. durch eine Reha-Maßnahme (gesetzlich vorgeschriebene Hilfen und Leistungen der Rehabilitationsträger) nicht hätten vermieden werden können. Im Ergebnis sind die möglichen Maßnahmen so vielfältig, dass dem Arbeitgeber der Beweis der objektiven Nutzlosigkeit des BEM nicht gelingen wird.

Geklärt wurde in diesem Urteil auch, dass sich andere arbeitgeberseitige Maßnahmen (z.B. Krankenrückkehrer- oder Mitarbeitergespräche, arbeitsmedizinische Untersuchung) nicht einfach in ein BEM - Verfahren umwidmen lassen. Ein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren setzt eine formelle Belehrung über die Ziele des BEM-Verfahrens sowie über Art und Umfang der zu erhebenden Daten voraus. Ohne korrekte Belehrung kann der Arbeitnehmer nicht wirksam auf die Durchführung des BEM verzichten. Selbst die Teilnahme des Arbeitnehmers im Falle fehlender oder fehlerhafter Belehrung führt zu der oben dargestellten gesteigerten und kaum zu erfüllender Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers.

Die MAVen sollten bei krankheitsbedingten Kündigungen, die unter das KSchG fallen (nicht Kleinbetrieb oder vor Ablauf der Wartezeit), somit stets darauf achten, dass zuvor ein BEM-Verfahren durchgeführt worden ist. Ansonsten können sie die Zustimmung zur Kündigung wegen Unverhältnismäßigkeit der Kündigung verweigern. Da die MAVen zu den BEM-Verfahren kraft Gesetzes hinzuzuziehen ist, werden sie auf jeden Fall Kenntnis davon haben, ob ein Verfahren arbeitgeberseitig initiiert worden ist oder nicht.

Maike Rantzen-Merz